Auch der Norden Patagoniens fasziniert uns
Eigentlich wollten wir ja wieder aktueller schreiben, aber das hat sich dann doch nicht ergeben. Es gibt für uns auf der Reise immer so viel zu tun, dass wir kaum dazu kommen euch hier mitzunehmen. Daher auch heute wieder ein etwas längerer Artikel, um aufzuholen…
Wir merken, dass der Wind immer mehr nachlässt, je weiter wir nach Norden kommen und es wird wärmer – endlich! So langsam realisieren wir, dass wir aus dem ‚echten‘ Patagonien rauskommen. Trotzdem bleiben uns die Highlights in der Natur erhalten, auch ziemlich kalte. In diesem Blog erreichen wir wohl die letzten Gletscher unserer Reise. Der erste ist ein hängender Gletscher im Queulat Nationalpark, der Ventisquero Colgante. Den schönen Anblick müssen wir uns aber zunächst verdienen, denn die Route sollte auf ca. 3,5km rund 300 Höhenmeter hinauf gehen, das klingt ok. Was wir nicht ahnen, ist dass diese 300 Höhenmeter fast vollständig innerhalb von rund 500m Streckenlänge zu erklimmen sind und das über Wurzeln und Steine. Auch im weiteren Verlauf ist der Weg nicht sonderlich flach. Es ist ein Abenteuer und wir sind froh als wir wieder unten sind, denn unsere Knie waren nicht so begeistert vom Streckenprofil… Trotzdem hat sich der Weg für uns gelohnt: Der Gletscher hängt an einer Felskante und ein großer Wasserfall stürzt in die Tiefe, ein spektakulärer Anblick.
Weiter geht es für uns nach Chaitén, einer kleinen Stadt an einem chilenischen Meeresarm. Wir wollen uns auf dem Weg dahin Zeit lassen, denn von Chaitén aus geht es für uns dann per Fähre weiter nach Norden. Diese Fähre muss man im Voraus buchen und da wir möglichst flexibel bleiben wollen, haben wir uns erst eine Woche vorher entschieden, wann wir genau fahren möchten. Immerhin konnten wir noch einen Platz auf der Nachtfähre ergattern, die Verbindung am Tag ist für Monate im Voraus ausverkauft. Also haben wir einen fixen Termin, wann es von Chaitén weitergehen soll/ muss/ darf. Wir haben noch 4 Tage Zeit, die wir für den Weg nach Chaitén und für die Umgebung dort verwenden wollen.
Also fahren wir gemütlich zum vermutlich letzten Gletscher unserer Reise, dem Ventisquero Yelcho. Ein gemütlicher Wanderweg führt uns zu einem Aussichtspunkt, dieser Gletscher wird uns auf dem Silbertablett serviert. Und hier in der Nähe wollen wir auch übernachten, aber der Stellplatz sagt uns nicht zu. Wir haben ein ungutes Bauchgefühl und entscheiden uns lieber weiterzufahren. Am Ende kommen wir schon am selben Tag in Chaitén an, deutlich zu früh. Aber wir finden hier immerhin einen tollen Spot im Flussdelta, außerhalb der Stadt. Die Stadt wurde 2008 durch den Ausbruch des Chaitén Vulkans stark zerstört, das ganze Profil der Stadt hat sich geändert. Selbst der Fluss hat sich einen neuen Weg gebahnt, nämlich mitten durch das alte Stadtzentrum. Es ist wirklich interessant die Naturgewalt so hautnah zu sehen. Unser Stellplatz wurde erst durch den Ausbruch vom Vulkan geschaffen!







Für den Pumalin Nationalpark bei Chaitén haben wir uns über die App Alltrails ein paar Wanderungen rausgesucht, die wir gerne machen würden. Offizielle Wanderkarten gibt es leider nicht, wie fast immer in den chilenischen Nationalparks. Dieser Nationalpark geht auf Douglas Tompkins zurück, dem Gründer der Bekleidungsmarke The North Face und auch Mitbesitzer von Esprit. Als er sich in den 90er Jahren aus dem Geschäft zurückzog und verkaufte, hat er vom Erlös große Landflächen in Patagonien gekauft, um die Natur zu schützen. So sind zahlreiche Parks entstanden, eben auch der Pumalin Nationalpark. Auch heute noch werden diese Parks von seiner Stiftung beim Unterhalt unterstützt. Unser erster Tag ist verregnet und so machen wir uns erst spät auf den Weg in den Park. Wir wollen die Regenpause nutzen, um zumindest einen der Walks zu machen und sind von dem Weg begeistert, er führt durch verwunschene Areale, deren Vegetation sich alle paar Minuten ändert. Unterwegs sehen wir auch Nalcas, das sind riesige Rhabarberpflanzen, man macht hier sogar Marmelade daraus. In den Bildern seht ihr, wie unfassbar groß die hier werden. Für den 2. Tag heben wir uns 3 Wanderungen auf, aber an dem Tag will es nicht so richtig laufen. Für die erste Wanderung finden wir weder den Startpunkt noch scheint es überhaupt einen eigenen Weg zu geben. Für die zweite Wanderung finden wir wenigstens den Aussichtspunkt als Startpunkt, aber auch hier kein Zeichen, wo eine Wanderung tatsächlich losgehen könnte. Immerhin ist die 3. Wanderung ein Erfolg: Wir gehen in einen Wald mit uralten Zypressen, manche bis 4.000 Jahre alt. Das ist ein schöner, wenn auch kurzer Rundweg. Danach fahren wir erstmal 34 Kilometer über eine Schotterpiste zurück, nach genau 1 Stunde erreichen wir endlich wieder die geteerte Straße. Wir sind nicht ganz sicher, ob sich der Aufwand heute gelohnt hat…






Am nächsten Tag müssen wir dieselbe Schotterstrecke wieder fahren, denn unsere Fähre legt abends um 20 Uhr vom Nordende dieser Schotterpiste ab. Der Ort dort heißt Caleta Gonzalo und besteht aus einem Café, dem Fähranleger und einem (immer wenn wir da waren geschlossenen) Informationszentrum des Nationalparks. Mittags machen wir uns also wieder auf den Weg Richtung Fähre, denn wir wollen unser Auto in die Warteschlange stellen und dann vor Ort noch eine Wanderung machen. Wenn das mit dem Fähre fahren in Chile denn mal alles so einfach wäre… Kaum sind wir angekommen, sehen wir schon eine lange Schlange an Autos, die auch alle auf die 20 Uhr Fähre warten – und das bereits um 14 Uhr. Manche erklären, dass sie gelesen hätten, dass die Fähre heute früher fährt und andere sagen, nein, die Fähre fährt um 20 Uhr. Andere sind früh, weil sie erst gar kein Ticket haben und es möglichst weit oben auf die Warteliste schaffen wollen. Unsere Spanischkenntnisse zeigen uns hier Grenzen auf und Mobilfunknetz gibt es hier natürlich auch nicht. Auf keinen Fall wollen wir die Fähre verpassen, denn es gibt für die nächsten 10 Tage keinen neuen Termin zu buchen. Also sagen wir die Wanderung für uns ab und setzen uns mit Stühlchen vors Auto in die Sonne. Um Punkt 15 Uhr kommt Hektik auf „Die Fähre kommt“ und einige laufen zu ihren Autos, in diesem Moment sind wir froh, dass wir die Wanderung abgesagt haben. Die Fähre kommt tatsächlich und auch noch zwei weitere Male. Nur wir bewegen uns keinen Meter, denn sie lädt nur aus, nicht aber ein. Erst um 20 Uhr – 6 Stunden nach unserem Anstellen – geht es wirklich los, wir dürfen auf die Fähre. Also hätten wir doch die Wanderung machen können… Diese Fähre ist nur das erste Teilstück und fährt nur 40 Minuten, danach muss man selber ca. 15 Minuten über Land fahren, bis man die größere Fähre erreicht, die dann ca 3:30 Stunden bis Hornopirén fährt. Soweit die Theorie. Die erste Fähre ist leider kleiner als die zweite, sodass sie mehrere Runden braucht, um alle zu transportieren. Vielleicht ist das der Grund, warum wir 2 Stunden im finsteren Wald auf der Landstraße warten, bis wir dann endlich um 23 Uhr auf die größere Fähre fahren dürfen. Die Odyssee endet für uns erst um 3:30 Uhr in Hornopirén und wir fahren nur 5 Minuten zu einem Schlafplatz, an dem wir in kürzester Zeit in einen tiefen Schlaf fallen.
Die nächsten Tage verbringen wir damit die chilenischen Fjorde und Seen in der Region von Puerto Montt abzufahren. Wir sehen in Cochamó eine Schindelkirche, die im Stile der Kirchen von der Insel Chiloé erbaut ist. Der Besuch hier ist eindrucksvoll und erleichtert uns unsere Entscheidung: Jetzt haben wir eine klassische Chiloé Kirche gesehen und können guten Gewissens den Umweg auf die Insel ausfallen lassen. Weiter geht es zum Vulkan Osorno, dem ersten einer Reihe toller Vulkane in dieser Gegend. Auch wenn die Wolken den Blick auf den Vulkan nicht vollständig freigeben, ist es ein beeindruckender Berg. Man kann sogar mit dem eigenen Auto ziemlich hoch hinauffahren – in unserem Fall bis über die Wolkengrenze. An Tagen mit weniger Wolken muss die Aussicht atemberaubend sein.











Als nächstes Ziel steht Puerto Varas am großen Binnensee Llanquihue auf der Liste und man merkt deutlich, dass es von deutschen Aussiedlern gegründet wurde. Das erste große Gebäude am Ortseingang ist die „Deutsche Schule“, es ist plötzlich alles ordentlich und viele Häuser sind in gutem Zustand. So etwas haben wir in Chile bisher noch nicht gesehen. Und endlich haben wir wieder einen guten Bäcker gefunden, bei dem wir ein leckeres Sauerteigbrot kaufen können. Es ist herrliches Sommerwetter hier, recht warm und in der Stadt gibt es ein Open Air Festival direkt am Seeufer. Die Stadt pulsiert und es macht uns Spaß durch die Stadt zu streifen. Und dann wollen wir noch nach Puerto Montt, einer Stadt mit direktem Meereszugang, auch wenn es nicht schön sein soll. Dennoch ist es eine Großstadt und wir finden einen großen Supermarkt, um uns für die verbleibende Zeit zu versorgen. Wir können bestätigen, dass die Stadt Puerto Montt ausgesprochen unansehnlich ist, gerade im Vergleich zu Puerto Varas. Also machen wir uns ganz schnell wieder auf den Weg nach Norden, um in der Region von Puerto Varas wieder die Nacht zu verbringen.
Unweit von Puerto Varas liegt Frutillar (frei ins Deutsche übersetzt: Erdbeerhausen) und der Vorort Frutillar Bajo liegt sehr schön am großen Llanquihue See. Auch hier ist der deutsche Einfluss weithin sichtbar: Überall gibt es Streuselkuchen, deutsch aussehende Häuser bis hin zu einem Haus im Stil einer Kuckucksuhr und einen deutschen Club. Es gibt sogar einen „Kuchenladen“. Im chilenischen Spanisch ist zumindest im Süden das Wort „Kuchen“ weitverbreitet.







In der Vulkangegend nutzen wir einen sonnigen Tag und fahren mit einem Sessellift bis auf ca 1.500m Höhe auf den Vulkan Villarica und es bietet sich eine sehr schöne Aussicht. Von hier tauchen wir noch einmal in die abgeschiedenen Gebiete ein. Entlang der argentinischen Grenze hangeln wir uns über Nebenstraßen durch die beginnenden Anden und durch das Gebiet der Mapuche, einem Volk dass hier schon vor der Eroberung durch die Europäer gelebt hat. Wir erreichen hier auch noch ein spektakuläres Highlight. Die Region ist hier nach den Araukarien benannt, das sind urtümliche Bäume und im Conguillío Nationalpark schützt man diese. Wir fahren durch ganze Wälder dieser grünen Gewächse und sehen immer wieder Vulkane im Hintergrund. Faszinierend und bedrohlich, denn die Vulkane in dieser Region sind sehr aktiv. Dennoch haben wir die Gelegenheit mit dem Auto auf den Vulkan Longquimay hochzufahren. Überall ist schwarze Asche, rötliches Gestein schimmert hervor und in der Höhe sehen wir Schneeflecken. Zuletzt ist dieser Vulkan 1988 ausgebrochen – für 13 Monate am Stück. Ein toller Abschluss für die Naturhighlights von Chile.















Auf dem Weg in den Norden machen wir noch einen Umweg zur „Villa Baviera“, vielen von euch besser bekannt unter dem alten Namen „Colonia Dignidad“. Im Kern eine aus Deutschen bestehende Sekte, die in den 1960er Jahren gegründet wurde und deren geistlicher Anführer sich als Herrscher und Unterdrücker herausstellte. Die eigenen Leute wurden schikaniert und unmenschlich behandelt, teilweise missbraucht. Zudem war er offenbar ein Gehilfe des Pinochet-Regimes und zahlreiche Spuren chilenischer Oppositioneller verlieren sich hinter dem Stacheldrahtzaun. Eine gruselige Geschichte über die ein kleines Museum rudimentär informiert. Die Überwachungsmethoden haben uns sehr an die Stasi erinnert. Heute versucht diese Gemeinschaft mit ihrer Landwirtschaft und einem deutschen Restaurant zu überleben. Als wir ankommen, ist das Restaurant gut besucht und es gibt nicht nur deutsche Küche, sondern auch das was man für deutsche Musik und deutsche Tracht hält. Uns erinnert es eher ans Oktoberfest. Dabei sieht alles eher erbärmlich aus, der Zustand der Häuser ist mittelprächtig und auch viel von dem riesigen Anwesen fällt eher in einen Dornröschenschlaf. Wir verlassen die Villa Baviera mit sehr gemischten Gefühlen, vor allem sind wir wieder einmal schockiert, was Menschen anderen Menschen antun können.








Der Weg nach Norden ist für uns vor allem durch eine Autobahn geprägt, die Panamericana. Südlich von Puerto Montt ist so eine Straße gänzlich unbekannt – und das was wir hier auf den Straßen so erleben kennen wir nicht aus Deutschland. Bei Höchstgeschwindigkeiten von 120 km/h findet man rechts am Straßenrand regelmäßig Verkaufsstände, Käse und Beeren scheinen die wichtigsten Angebote zu sein. Zum Einkaufen hält man dann auf dem Standstreifen an – und besonders abenteuerlich ist es dann von dort wieder loszufahren und sich einzufädeln. Sehr spannend. Und dann gibt es da noch die anderen unerwarteten Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn: Fußgänger, Fahrradfahrer, Trecker, usw. Die halten sich dann auch nicht unbedingt an die Fahrtrichtung. Ein echtes Erlebnis!






Schon bald ist Santiago de Chile erreicht und das lest ihr dann das nächste Mal 🙂
English: On our trip north, we get to visit the last glaciers of our trip. Particularly the hanging glacier Ventisquero Yelcho impressed us and has been worth a visit. We then head further north, but depend on a ferry, as there are (again) no roads within Chile to take us further. This has been quite an experience, as lack of information and barely coordinated ship transfers meant that we spent 16 hours travelling before finally arriving at 4 am. From here, not only nature changes to show us many volcanoes, but it is also getting warmer and infrastructure improves. We drive up to high volcanoes, and are impressed by monkey puzzle trees. Also in that region some of the towns were founded by German settlers and hence German culture and German food come across in multiple forms. It is nice to feel a bit like home after 9 months on the road. Speaking of roads, we finally find the Panamericana highway and share this motorway with others, including bicycles, tractors, pedestrians 🙂